4. Schreiben
„Das Schreiben ist, so Vygotsky (1986), eine bewusstere und gleichzeitig eine stärker bewusst machende Aktivität als das Sprechen.“ (Schmölzer- Eibinger, 2012, S.166) Anders gesagt: Schreiben unterstützt den Spracherwerb.
Bei der schriftlichen Sprachproduktion reflektiert der Lerner sprachliche Strukturen und Mittel und bringt seinen Ausdruck zu Papier. Im Gegensatz zum Sprechen ist der Ausdruck nicht flüchtig, sondern bleibend und bietet dem Schreiber die Gelegenheit zu überarbeiten und zu berichtigen. Obwohl Schreiben ein komplexer Prozess ist, der phonologische Bewusstheit, semantische und morphologisch- syntaktische Kompetenzen voraussetzt, sollte „von Anfang an“ geschrieben werden. Zu Beginn werden dies fragmentarische schriftliche Äußerungen wie einzelne Buchstaben oder Wörter sein, denen mit zunehmender Sprachentwicklung und Leseerfahrungen in L2 Sätze und Texten folgen. Im Unterricht sollte daher häufig geschrieben werden. Offene Aufgabenstellungen wie das Schreiben zu einem Bild, zum Wochenende, Einkaufslisten usw. bieten Gelegenheit, auf unterschiedlichem Niveau zu arbeiten. Auch das Schreiben von Comics und das Arbeiten mit Sprechblasen bieten Gelegenheit, mit einzelnen Wörtern „sinnvolle“ Äußerungen zu verschriften.
Schreiben ist eine komplexe Aufgabe mit verschiedenen „Werkstätten“:



Vgl. auch Grießhaber, 2014, S.232.
Im zentralen Informationsspeicher befinden sich auch (oder vorwiegend) erstsprachliche Wissenskonzepte, auf die der Schüler beim Schreiben zurückgreifen kann.
Während des Schreibprozesses erfolgt ein beständiger „Austausch“ zwischen den einzelnen Bereichen. Informationen aus allen „Werkstätten“ werden verknüpft, verarbeitet und fortwährend überprüft. Um die Schreibaufgabe zu verstehen und im Schreibprozess zu bearbeiten, benötigt der Verfasser Kenntnisse zu Lautsystem, Wortbildung, (differenzierten) Wortbedeutungen, grammatikalischen Strukturen und Satzbau und muss diese fortwährend simultan verarbeiten, um einen kohärenten Text zu verfassen. Bei eingeschränkten Kenntnissen zu Semantik und Morphosyntax kann die Bearbeitung einer Schreibaufgabe schnell zu einem unüberwindlichen Hindernis werden.
Schreiben im Unterricht
Didaktische Aufgabe im Unterricht ist es, den komplexen Vorgang des Schreibens in lösbare Einzelschritte zu zerlegen, sodass Schüler ihren Sprachkompetenzen gemäß – und auch mit geringen Sprachkenntnissen- Schreibaufgaben lösen können.
Dabei sollen die Lernenden vom assoziativen Schreiben des Schreibanfängers allmählich zum bewussteren Organisieren und Planen von Texten geführt werden. Eine unterstützende Lernumgebung, die Wort- und Sprachmittel bereithält, ist Voraussetzung, um das Schreiben auf individuellem Niveau zu ermöglichen.
Methoden der Schreibförderung
Funktionales Schreiben
Funktionale Schreibaufgaben haben einen reproduktiven oder kommunikativ- funktionalen Charakter, verfügen oft schon per se über eine Alltagsrelevanz und entstehen innerhalb eines fächerübergreifenden Kontextes.
- Wunschlisten
- Aufschreiben der Hausaufgaben
- Wetterberichte
- Spielregeln
- Rezepte
- Interviews
- Plakate
- Bastelanleitungen
Kreatives Schreiben
Im kreativen Schreiben ist das natürliche Ausdrucksbedürfnis des Menschen angesprochen. Schreiben ist hier Ausdruck von Gedanken, Fantasien, Ideen und Vorstellungen. Der kreative Impuls ist das Finden (individuell) neuer Zusammenhänge zu bekannten Impulsen oder Situationen. Beim Spielen mit Wörtern, Wortarten und Silben wird auch Sensibilität für Sprache und Sprachbewusstheit gefördert.
- assoziative Verfahren
- (kooperative) Schreibspiele
- strukturorientiertes Schreiben mit Vorgaben (Elfchen, Rätsel)
- zu und nach literarischen Texten
- zu Stimuli (Musik, Bild etc.)
Generatives Schreiben
Beim generativen Schreiben stehen die Sprachmittel im Vordergrund. Ausgehend von einem poetischen oder literarischen Text werden durch Veränderung eigene Texte generiert. Es entstehen ästhetische Texte. Diese Methode gleicht einem spielerischen Umgang mit Sprache, führt zu entdeckendem Lernen im Bereich Lexik und Grammatik und stellt damit einen wichtigen Input für implizite Vermittlung sprachlicher Strukturen.
- Personen, Tiere etc. ändern
- Adjektive ersetzen
- Nomen austauschen
Die Möglichkeiten variieren je nach Ausgangstext
Handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterricht
Im handlungsorientierten Umgang mit literarischen Texten bietet sich ein weites Feld zur Differenzierung und zum Einsatz unterschiedlichster Aufgaben. Orientierend am Ausgangstext werden Ideen zur handlungsorientierten Umsetzung entsprechend der Schreibaufgabe gewonnen. Mündliches Sprechen, auch z.B. in Form eines szenischen Nachspiels oder mit Hilfe von Skizzen, bereitet das Schreiben vor. Bei handlungsorientierten Schreibaufgaben bieten sich gute Differenzierungsmöglichkeiten. Auch einzelne Wörter und Sätze können im richtigen „Rahmen“ (z.B. Sprechblasen) wirksam sein.
- Bilder erstellen und „beschriften“
- Herstellen eines Pocket-Story-Books
- szenisches Nachspiel, Rollenspiel, Theater
- Umschreiben in eine andere Textgattung
Literatur:
Grießhaber W. (2014): Schreiben in der Zweitsprache Deutsch. In: B. Ahrenholz/ I. Oomen- Welke (Hrsg.): Deutsch als Zweitsprache. In: W. Ulrich (Hrsg.)(2014): Deutschunterricht in Theorie und Praxis Bd. 9. Baltmannsweiler
Schmölzer- Eibinger S. (2012): Interaktion und kooperatives Schreiben in mehrsprachigen Klassen. In: M. Michalak/ M. Kutschenreuther (Hrsg.) (2012): Grundlagen der Sprachdidaktik Deutsch als Zweitsprache. Baltmannsweiler